Saturday, September 7, 2019

Epic drum performances, Teil zwei

Hal Blaine auf "Cosmic Sounds" (The Zodiac, 1967)

Oh, hier gibt es so viel zu sagen. Zunächst mal ist Hal Blaine der berühmteste Musiker, von dem noch nie jemand was gehört hat. Er war über Jahrzehnte ein heiß begehrter Studiomusiker und hat auf mehr Pop- und Rock-Hits gespielt, als man zählen kann - und all das fast inkognito. Oder wusstet ihr, dass er auf Sachen wie 'good vibrations' oder 'i get around' (Beach Boys), 'the way we were' (Barbra Streisand), 'these boots were made for walkin' ' (Nancy Sinatra), 'aquarius/let the sunshine in' (The 5th Dimension), dem 'batman theme' (60ies TV) gespielt hat?

Aber es gibt einen Hinweis darauf, dass er es hat - die Drums klingen überall fantastisch. Simpel, adequat, mit Drive, mit Gefühl, und Rock'n'Roll.

Womit wir zu "Cosmic Sounds" kämen und der schreienden Frage, warum dieses Album? Es ist seltsam, obskur, gar nicht mal wirklich sehr toll, und was für diesen Zweck noch wichtiger ist, soviel Schlagzeug gibt's drauf gar nicht. Aber zunächst mal möchte ich einfach nicht so berechenbar sein (immerhin hab ich ja schon Bonham in der Liste), der zweite Grund ist aber der wichtigere: WENN die Drums dann mal erklingen, sind sie unwiderstehlich. So unwiderstehlich, dass ich die Platte mochte, ohne objektiv zu finden, dass ich sie mögen sollte. So unwiderstehlich, dass ich recherchieren musste, welcher tolle Typ die spielt, und erst seit diesem Moment ist mir der Name Hal Blaine ein Begriff. Hört den Ye-Ye-Rocker 'leo - the lord of lies' oder das schräge 'scorpio - the passionate hero' und versucht, den Sprechgesang durchzustehen.

Nicko McBrain auf "Somewhere in Time" (Iron Maiden, 1986)

Das beste Album aller Zeiten darf hier natürlich nicht fehlen, aber nicht aus Verpflichtung heraus, sondern weil es mit wahnsinnig gutem Schlagzeugspiel besticht. McBrain benutzt die ganze Skala des Drum-Universums, drischt hart auf die Felle ein, nimmt zischend Tempo auf, groovt auf eisigem Terrain, fliegt durch die Milchstraße.

Die Platte ist mir in Fleisch und Blut übergegangen, wodurch es manchmal schwer sein kann, einzelne Elemente losgelöst von einander zu betrachten. Die atemberaubend guten Fills verbinden magische Songideen wie von Zauberhand, McBrain klingt heavy, aber nie stampfend, was ich immer wahnsinnig beeindruckend finde (ich mag außerdem stampfende Drums nicht). 'stranger in a strange land' sei hier als Beispiel gennant.

McBrain kann schlichter spielen, wenn es dem Song dient ('wasted years'), kann sich und den Hörer komplett ins Sternendelirium holzen ('caught somewhere in time', 'the loneliness of the long distance runner'), kann den Marsch zum 'sea of madness' durch schleppenden Drive hörbar machen, treibt 'deja vu' in seiner mystischen Suche an, oder öffnet in 'alexander the great' den Percussion-Himmel. Besonders in letzterem Song spielt er so unglaublich kraftvoll, verleiht aber jedem Abschnitt des Achtminüters diese historisch erhabene, bewusste Note.

"Piece of Mind", "Powerslave" oder "Seventh Son of a Seventh Son", aber auch spätere Maidenalben wie "The X-Factor" oder "Brave New World", usw. usf., könnten hier ebenso stehen, da McBrain auch dort fantastisch Schlagzeug spielt. Aber die sind halt nicht "Somewhere in Time".

Proscriptor McGovern auf "Tara" (Absu, 2001)

Proscriptor, die zweite, und nein, das ist nicht unnötig zu erwähnen, denn mit Absu ist weniger Wüste im Klang, dafür vielleicht etwas mehr Tempo, Schwärze, und Mystik. Diese Unterscheidung ist natürlich relativ, denn völlig anders klingt er hier natürlich nicht. Trotzdem merkt man, dass Absu eben seine Band ist, er musste sich hier nicht so sehr mit anderen abstimmen.

Ich merke grade, wie lächerlich es ist, Proscriptors Spiel mit Worten zu beschreiben. Egal ob eine völlige Abfahrt wie 'a shield with an iron face' oder etwas gemäßigteres wie 'stone of destiny', seine Art zu drummen ist absolut einzigartig, wunderbar, Weltklasse. Es ist eine Ehre, ihm zuhören zu dürfen. Wir sollten alle viel mehr Absu hören.

Elvin Jones auf "Juju" (Wayne Shorter, 1965)

Oh Gott, diese Platte. Mein Herz öffnet sich und die Instrumente grooven hinein, wie in einem alten Cartoon. Über Shorter könnte ich ein Buch schreiben, darüber, was sein Saxophonspiel mit mir anstellt, und warum kein anderer Saxophonist den gleichen Effekt hat, aber das lassen wir für einen anderen Tag. Reden wir über Elvin.

Er ist kein Geheimtipp, im Gegenteil, immerhin spielte er auf Coltranes "A Love Surpreme", welches ich bis zum heutigen Tag noch nicht verstanden habe (inklusive seiner Drum-Arbeit, leider), und auf unzähligen anderen Coltrane- und Jazzwerken. Warum es sich trotzdem so anfühlt, als würde er nur für mich allein spielen, ist wohl Teil seines Zaubers.

Wenn er beim Titeltrack 'juju' leicht tänzelnd einsetzt, ist es schon um mich geschehen. Allein schon in diesem Song spielt er so dermaßen abgefahrene Sachen, dass ich mit offenem Mund dasitze. Er kurbelt und knipst und kracht. Er rollt und rockt und raucht. Ich weiß schon, dass ich eigentlich nichts von Jazz verstehe. Das wunderbare ist: Ich muss gar nicht. Elvin Jones erklärt alles, während er spielt. Der leicht zeitversetzte Beat von 'deluge', die angeheiterte Reife von 'twelve bars or more' (eigentlich vielleicht der schwächste Track des Albums, aber naja), die weltgewandte Erhabenheit, die zeitlose Eleganz von 'mahjong', ich dreh beim Hören dieser Platte regelmäßig durch. "Speak No Evil", ebenso mit Shorter, muss ich auch noch schnell nennen, er spielt dort etwas gemäßigter, aber halt ebenso toll.

Richard Christie auf "The Sound of Perseverance" (Death, 1998)

Wenn es so das eine Album gibt, das ich jemandem auf die Frage "Was meinst du eigentlich mit Drum-Performances? Ist eh immer gleich, irgendein Rhythmus halt." vorspielen würde, dann ist das "The Sound of Perseverance".

Christie spielt so dermaßen anders, auffällig, fuchtelnd, dass man keine Probleme haben wird, das Schlagzeug (vielleicht erstmals in seinem Leben) als eigenständiges Instrument rauszuhören. Er nimmt unglaubliche Geschwindigkeit auf, vergisst aber nie auf die Becken, die wie kleine Gongs, oder gar nicht mal so kleine, den ganzen Weg über immer wieder Großartiges ankündigen. Ich war von seinem Spiel hier immer schon geflasht, und egal wie oft ich diese Platte höre, ich bin immer wieder fasziniert. Christie verleiht dem eh schon brutal progressivem Soundwriting Chuck Schuldiners eine noch abgedrehtere, wildere, außerirdischere Note. Ab Sekunde eins von 'scavenger of human sorrow' gibt es daran keinen Zweifel.

Friday, September 6, 2019

Epic drum performances, Teil eins

Clive Burr auf "Killers" (Iron Maiden, 1981)

Meiner Meinung nach ist Burr der eigentliche Grund dafür, dass die "jungen Maiden" so anders klingen, so sehr unterscheidet sich sein Stil von Nico McBrain.

Clive rockt, aber viel mehr noch swingt er, schleicht um den Song herum ('wrathchild'), benutzt die Cymbals fast schon zärtlich, kreiert aber mit seinen "Drums of Doom" aber auch wohlig-bedrohlichen Groove ('another life', 'drifter'). Ich kenne keinen anderen Drummer, der fast schon leichtfüßigen Swing so gut mit Heavy Rhythms kombiniert.

Tony Laureano auf "In Their Darkened Shrines" (Nile, 2002)

Ja bist du deppat. Laureano ist wirklich nicht der einzige Extremmetall-Trommler, der komplett verrückte Doublebass-Sachen anstellt, aber er ist einer der wenigen, die bei mir Euphorie und Airdrums auslösen. Es ist bei allem Wahnsinn irgendwas "Rundes" in seinem Spiel, etwas Ganzheitliches. Es ist sagenhaft abwechslungsreich, aber nie unfertig.

Ich liebe es, dass er die Cymbals sehr oft benutzt. Sie akzentuieren den Schlagzeug-Malström, so als ob sie jeden einzelnen Schlag nochmal hervorheben wollen - hast du das gehört? Diesen Fill? Und den hier? Und das zurecht.

John Bonham auf "IV" (Led Zeppelin, 1971)

Jagut, keine besonders originelle Wahl. Ist eh nur der beste Drummer aller Zeiten.

Hier könnte im Grunde jedes Led Zep-Werk aufgelistet sein, vor allem auch "Houses of the Holy" (aber da ist Plants Stimme echt super anstrengend, und ich wollte nicht, dass ihr da reinhört und es nicht mögt. Den Fehler habe ich schon bei meiner Frau gemacht).

Weitere Worte zu Bonhams Genie und seinem Einfluss auf die Rock-Musik zu verlieren, ist vielleicht müßig, so oft wurde sowas schon von anderen geschrieben. Die Art, wie er das Spiel leicht verschleppt, neben dem Beat ist ('black dog'), geradlinigere Songs mit kleinen Tricks spannend macht ('misty mountain hop') - all das macht die Musik Led Zeppellins dynamischer, interessanter, lebendiger, ja, besser. Vielleicht wären sie sonst einfach nur eine Rock-Band gewesen.

Nick Menza auf "Rust in Peace" (Megadeth, 1990)

"Rust in Peace" ist, wie viele Mustaine-Platten, natürlich ein ziemliches Gitarrenalbum. Es ist vertrackt, überkandidelt und durch Mustaines Gesang (oder das, was er dafür hält) auch eher kauzig und schwer zu erfassen.

Deshalb kann es eine Weile dauern, bis man sich zum Schlagzeug durchgearbeitet hat, aber wenn man erst mal dort ist, hört man dem Lockenkopf erst mal eine weitere Ewigkeit zu und wundert sich, dass einem das alles nicht schon früher aufgefallen ist. Er spielt unglaublich kraftvoll, gefühlvoll, anspruchsvoll. Wenn der Song es benötigt holzt er filigran durch die Botanik ('take no prisoners'), hebt die Melodien hoch in den Himmel ('hangar 18') oder hält mit verwickeltem Groove dagegen ('tornado of souls').

Dave Lombardo auf "South of Heaven" (Slayer, 1988)

Lombardos Drumming ist so einzigartig, dass Slayer ohne ihn eigentlich gar nicht wie Slayer klingen. Es ist so wahnsinnig präzise und in seiner Heaviness fast schon federleicht. Um mal wieder Cymbals zu erwähnen, sie sind ein wichtiger Bestandteil seines Signature-Sounds ('mandatory suicide', oder noch markanter in 'behind the crooked cross') und sorgen dafür, dass Lombardo so dermaßen groovt.

Verspielt ist sein Stil zu keinem Zeitpunkt, es ist eher so, dass er punktgenau einen Song fliegen lässt, der ohne ihn vielleicht nur gestampft hätte. Spätere Slayer-Alben ohne Lombardo sind der Beweis dafür.

Mario Rubalcaba auf "Rhythms from a Cosmic Sky" (Earthless, 2007)

Möglicherweise ist es bei dieser Art von unbändigem Space Rock für den Schlagzeuger einfacher, da er keinen "Hit" instrumentieren muss und sozusagen ausschweifendes Getrommel ja erwünscht sein sollte. Dann frage ich mich aber, warum niemand außer Rubalcaba es hinbekommt?

Er spielt energetische Grooves, bei denen man die Haare und den Schweiß förmlich fliegen sieht, baut coole Fills ein, gibt aber den Rhythmus niemals auf, unterstützt die wabernden Siebziger mit glasigem Geschleppe. Wer nach ein paar Minuten Rubalcaba nicht bereits im Cosmic Sky schwebt, sollte sich vielleicht ein anderes Musikgenre suchen.

Proscriptor McGovern auf "Sphynx" (Melechesh, 2003)

Proscriptor ist natürlich der Gottkaiser. Ich mag es sehr, ihn bei Melechesh im heißen Wüstensand zu hören. Rasende Geschwindigkeiten kommen einem Sandsturm gleich ('annukaki's golden thrones'), die Rhythmen rollen ('of mercury and mercury'), tanzen ('tablets of fate'), klettern auf Felsen ('abkallu counsel'), galoppieren auf schwarzen Pferden ('secrets of sumerian sphynxology'), glitzern am Firmament ('caravans to ur'), stoppt mich, ich kann nicht aufhören!

Proscriptor kann alles, und macht auch alles (aber glücklicherweise nicht im gleichen Song). Seine Art zu grooven passt so gut zu diesem Album, dass man eigentlich gar nicht fassen kann, dass er kein unersetzbares Bandmitglied wurde.

Michael Kadnar auf "Aeon Unveils the Thrones of Decay" (Downfall of Gaia, 2014)

Kadnar ist ein absolutes Drum-Monster und verleiht diesem Post-Metal-Kreisch-Schinken eine in diesem Genre ungekannte Variabilität.

Die Fills sind unglaublich kreativ und er beherrscht atmosphärische Variationen ('whispers of aeon'), bleibt aber dabei absolut im schönen Rahmen der Aufgabe und wird nicht plötzlich "jazzig" oder so was (wie ich es hasse, wenn jemand unfokussiertes, unpassendes Schlagzeugspiel so nennt). Das heißt, er drischt ordentlich auf das Kit ein, macht das aber so spannend und angenehm vertrackt, dass die ganze Platte enorm aufgewertet wird.

Lee Morris auf "Draconian Times" (Paradise Lost, 1995)

So sehr ich auch alte Paradise Lost mag, aber es ist schon ohrenscheinlich, welch Gewinn Lee Morris bei seinem Einstieg gewesen ist, spielte er doch viel spannender und akzentuierter als Vorgänger Matthew Archer, dessen geradliniges Getrommel vielleicht auf "Gothic" noch passte, spätestens ab dann aber möglicherweise ein bisschen wenig geboten hat. (Schlecht war Archer nicht, nur um das mal deutlich hinzuschreiben).

"Draconian Times" hat, so glaube ich heute, meine Liebe zu den Toms entfacht. Dieses perkussive Umrühren, diese rollenden Grooves, das hat mich begeistert. Es ist jetzt natürlich nicht so, dass Morris die Toms über Gebühr benutzt, aber ich mag es sehr, wie sie vor allem in den Fills klingen und eingesetzt werden ('elusive cure', um nur ein Beispiel zu nennen). Mit ihm klingt die Band erwachsener, kunstvoller. Mit ihm klingt sie endlich so, wie die Albumcover aussehen.